Der Phonovorverstärker

Gestern wurde mir vom Paketdienst ein ziemlich großer, ziemlich schwerer Karton in die Hände gedrückt. Die Größe lag an einer doppelten stoßsicheren Überverpackung – mein Dank an den Händler. Das Gewicht liegt allerdings an der vertrauenerweckenden panzerschrankmäßigen Verarbeitung des Lab12 Melto2.

Zuerst ließ ich den Melto2 einige Stunden akklimatisieren, dann konnte er sein neues Zuhause im Creaktiv-Rack beziehen. Schnell waren die Anschlüsse hergestellt und er ging ans Netz. Nach einer 1-minütigen Aufwärmphase, über deren Fortschritt das informative OLED-Display an der Front des Gerätes informiert, konnten die notwendigen Parameter – Eingang (3 stehen zur Auswahl), MM/MC, Eingangskapazität/-impedanz, Gain, Entzerrungskurve, Display-Helligkeit – eingestellt werden. Das funktioniert problemlos direkt am Gerät oder über die Fernbedienung.

Sofort fiel mir das völlige Fehlen von Nebengeräuschen auf. Meine ASR Mini Basis, ein tolles und vielseitiges Gerät, mit dem ich viele Jahre zufrieden Musik hörte, reagierte mit leisem Brummen auf das 2,4 Ghz-Band des WLAN-Routers, der aus haustechnischen Gründen in der Nähe der Anlage platziert sein muss. Daher musste ich das 2,4 Ghz-Band in den Stunden, in denen ich Schallplatten hören konnte, deaktivieren. Das 5 Ghz-Band hingegen verursachte keine Störungen in der Mini Basis.

Anders der Lab12 Melto2: bei der ersten Inbetriebnahme achtete ich nicht darauf, welches Band im WLAN-Router aktiv war. Aus den Lautsprechern kam auch nicht bei ziemlich hoch eingestellter Lautstärke – nichts. Im ersten Moment befürchtete ich, der Melto2 wäre defekt, aber eine hastig aufgelegte Schallplatte beruhigte mich wieder, ich war nur eine derartige Störgeräuscharmut nicht gewohnt. Das steigerte meine Neugier auf die ersten Höreindrücke …

Als erstes fand Muddy Waters mit seinem Album Folksinger den Weg auf den Plattenteller meines Laufwerks. Ein gut aufgenommenes Album, sehr intensiv. Sofort fiel die Ansatzlosigkeit auf, mit der die Musik in den Raum transportiert wurde. Als würde Muddy Waters vor mir sitzen und spielen. Sein Gitarrenspiel ist sehr gut nachvollziehbar, die Griffgeräusche werden nicht akribisch herausgearbeitet, sie sind gut hörbar als authentischer Teil des Ganzen.

Stilwechsel. Beethoven. Mondscheinsonate, gespielt von Emil Gilels, erschienen auf Deutsche Grammophon. Ein intimes Privatkonzert, die Technik rückt vollkommen in den Hintergrund, der Flügel steht in meinem Wohnzimmer, fast könnte man die Finger auf der Klaviatur beobachten.

Bei der nächsten Aufnahme kommt ein zweiter Flügel dazu – Chick Corea & Friedrich Gulda, The Meeting. Erschienen auf Philips. Leichtfüßig perlen die Läufe aus den Lautsprechern, es ist eine Freude, Teil des Publikums zu werden, die Dialoge der Flügel und der Meister nachzuverfolgen. Wiewohl deutlich heraushörbar ist, dass es sich um eine Digitalaufnahme handelt (wie auch die Mondscheinsonate, s.o.).

But now something completely different … Kraftwerk, Electric Cafe. Boing Boom Tschak Peng knallt unvermittelt aus den Lautsprechern, getragen von einem kräftigen, stabilen Fundament aus konturierten Bässen werden Rhythmen in den Raum transportiert, Klangteppiche gewoben, Klangfarben synthetisiert, die Mensch-Maschinen werden ihrem Ruf als Gründerväter des Techno voll gerecht.

Fazit: Der Lab12 Melto2 stellt die Musik in den Raum, ansatzlos, farbenfroh, bis ins kleinste Detail durchhörbar und nachverfolgbar, aber nie analytisch. Die Technik rückt in den Hintergrund, verweilt als Mittel zum Zweck unaufdringlich, unsichtbar hinter den Kulissen der Bühne, auf der die Musik spielt. Der Melto2 ist nicht billig, aber jeden Cent wert und bringt Goodies mit, die vielleicht nur für manche sinnvoll erscheinen – Besitzer von mehreren Laufwerken oder eines Laufwerks mit mehreren Tonarmen profitieren von einer Phonovorstufe mit 3 unabhängig konfigurierbaren Eingängen, umschaltbare Entzerrungskurven stellen für mich lediglich ein Nice2have dar, ich habe keine Aufnahmen, die nach einer anderen Norm als RIAA entzerrt werden müssen. Praktisch finde ich die Fernbedienung, mit der ich alle Parameter vom Hörplatz aus ein- und umstellen kann. Beruhigend und vertrauenerweckend finde ich die 5 Jahre Garantie.

Sorry, aber jetzt muss ich aufhören zu schreiben, die nächsten Platten warten bereits …