Der Plattenspieler

Wie bereits erwähnt, ist meine bevorzugte Signalquelle seit einigen Jahren ein Scheu Premier II mit einem SME IV. Ich habe etliche Tonabnehmersysteme ausprobiert – Goldring Elite I und II, Ortofon SPU N, Ortofon Quintet Black (ohne S), Ortofon Cadenza Bronze, Denon DL103, VdH DDT II und noch einige andere. Geblieben sind das Ortofon Cadenza Bronze als Hauptsystem und das Goldring Elite II als Alternative bzw. als Backup-System.

Auf der „Klangbilder 2014“ traf ich erstmals Herrn Hauer, Chef der Waldviertler Firma „Hauer Analog“. Das Laufwerk, mit dem er vorführte, faszinierte mich sofort. Es hatte etwas „Bohrturmhaftes“ an sich – Konstruktionen abseits der Kisten- und Brettdesigns haben mir seit jeher besser gefallen – ich denke da speziell an Laufwerke von Postl&Smid, Platine Verdier, Oracle, Michell, MicroSeiki, Transrotor, Ariston, Thorens (v.a. Reference) … . Ich betone, dass sich das nur auf das Erscheinungsbild bezieht, gut konzipierte Kisten- und Brettspieler können natürlich ebenfalls hervorragend Musik wiedergeben!

2016 ergab sich nach einem Vortrag die Gelegenheit zu einem ausführlicheren Gespräch mit Herrn Hauer. Ich beschrieb ihm mein System und mein Gefühl, „dass da noch was geht“. Er gab mir seine Karte und meinte nur, „… ruf mi aun, red ma in Ruhe“. Anfang 2017 rief ich ihn an und er lud mich ein, mit meinem Laufwerk und meinem Phono-Preamp zu ihm zu kommen. Meine Frau begleitete mich, Franz Hauer und seine Frau empfingen uns so herzlich wie langjährige Freunde. Am Nachmittag hörten wir stundenlang Schallplatten aus Franz‘ reichhaltigem Fundus, mit seinen Laufwerken und im Vergleich mit meinem Laufwerk. Meine Frau, normalerweise gesegnet mit Sitzfleisch wie ein „Flummi on Ecstasy“, konnte sich wie auch ich ganz und gar der Musik hingeben.

Franz analysierte meine Kombi, erstellte ein Konzept für einen möglichen Umbau, wir einigten uns auf einen Kostenrahmen und ich ließ ihn werken. Etliche Wochen und einige Abstimmungsgespräche und Hörsessions später lud er mich zu einem finalen Hörtest ein.

Was soll ich sagen – ich war sprachlos. Ich versuche, mit Worten meine Empfindungen und Eindrücke zu beschreiben:

Optik: eine Komposition aus Granit, Acryl, Aluminium, Carbon – ich war sofort verliebt.

Klang: die Musik wird plastischer in den Raum gestellt, nüchtern, ohne Schnörksel/Schönfärberei, unverschnitten, solide. Die Umrisse sowie die räumliche Anordnung der Instrumente scheinen greifbar, Sprache/Gesang ist leichter verständlich, Melodielinien sind leichter verfolgbar, die Darstellung der Bühne reicht weiter in die Tiefe, Klangfarben wirken noch reiner, nuancierter, das Erleben der Musik ist deutlich intensiviert, der „Gänsehautfaktor“ erheblich gesteigert. Viele Platten, die ich als langweilig oder bestenfalls mit „Naja“ einstufte, zeigen plötzlich doch Spannung, Leben, reißen auf einmal doch mit. Bitte mich nicht falsch verstehen – schlechte Aufnahmen bleiben schlechte Aufnahmen, das wird sogar noch deutlicher zur Schau gestellt. Aber auch in vielen schlechten Aufnahmen schwingt die Intention, die Seele des Komponisten/Interpreten mit und dies erscheint nach dem Umbau noch präsenter.

Ich weiß schon, das akustische Gedächtnis ist bei Menschen nur sehr kurzfristig ausgelegt, somit war mir klar, dass ich mich mich an keine klanglichen Feinheiten aus der Zeit vor dem Umbau erinnern kann, aber ich kann mich sehr wohl erinnern, welche Gefühle welche Aufnahmen in welcher Intensität bei mir ausgelöst haben. Und diese Gefühle wurden unbeschreiblich getoppt.

Zwischenzeitlich ist mir aufgefallen, dass der ursprüngliche, originale Antrieb, mit dem ich eigentlich sehr zufrieden bin/war, sich nach dem Umbau des Plattenspielers nicht genau auf 45 UpM einstellen lässt, weil der Plattenteller an Umfang gewonnen hat und die Umdrehungsgeschwindigkeit zu hoch war, obwohl ich bereits auf das Minimum hinuntergeregelt habe. Ich höre zwar keine Singles, auch meine Supersingles kann man an den Fingern einer Hand abzählen, … aber so etwas geht gar nicht :-).

Ich wechselte zu einer Antriebseinheit von Sperling Audio – Motor M-1 mit Steuerung NRM-1. An dieser Stelle mein Dank an Herrn Meyer von Auditorium für den überaus netten und freundlichen Kontakt und seine gute Beratung.

Inzwischen habe ich den Antrieb bereits einige Tage im Einsatz. Anfänglich beließ ich es beim vorhandenen Rundriemen. Eindruck: Das Klangbild wirkt noch etwas stabiler, der Hintergrund dunkler, Nebengeräusche stören weniger. Dann habe ich zum mitgelieferten Flachriemen gewechselt. Eindruck: Der Hintergrund ist nicht dunkler, der Hintergrund ist schwärzer! Nebengeräusche? Sind freilich vorhanden. Störend? Nein, sie fallen nicht auf, sie treten in den Hintergrund, ich höre sie nur, wenn ich sie bewusst hören will.

In den nächsten Tagen bekomme ich von Herrn Meyer noch ein Tape. Ich bin schon gespannt auf die klangliche Auswirkung …

Update 2021: Das Tape liegt bereits geraume Zeit bei mir in der Lade, ich konnte mich noch nicht aufraffen, den Antrieb umzustellen. Viel Stress im Büro, am Abend müde, keine Lust auf Änderungen eines zufriedenstellenden Setups …, aber voriges Wochenende (letztes WE im Juli 2021) war es soweit … ich habe den Flachriemen für eine letzte Hörsession mit mir wohlbekannten Platten eingesetzt und anschließend das Tape installiert und eingerichtet. Geschwindigkeit passt, Spannung passt … Platte liegt am Teller : Superbass/Ray Brown … diese Platte höre ich oft und gerne, das Zusammenspiel von Ray Brown und John Clayton mit Freddie Green, Jeff Clayton und Jeff Hamilton ist fantastisch. Bis jetzt kamen mir die tiefen Lagen immer ziemlich amerikanisch vor, vornehmlich saftig und ein bisschen dominierend. Mit dem Umstieg auf das Tape sind die tiefen Lagen immer noch deutlich präsent, aber deutlichst konturiert und stabil in der Raumdarstellung, die Grenzen zeigen keine Tendenz mehr, zu zerfasern, die Instrumente werden nochmals konturierter im Raum dargestellt, der Raum wirkt plastischer, noch angreifbarer, einzelne Instrumente noch realistischer abgebildet. Anderes Beispiel: Muddy Waters – The Folk Singer: rechts die Gitarre, mittig Muddy Waters, links das Schlagzeug, trotzdem wirkt die Darbietung absolut authentisch, packend, mitreißend … und nicht einfach nur gut … Griff- und Atemgeräusche deutlich hörbar, aber im Fluß der Musik und nicht analytisch herausgearbeitet und prominent präsentiert …

Ich muss mich noch durch viele Platten durchhören und ausloten, ob die bis jetzt gehörten Erkenntnisse auch bei anderen Platten zutreffen, bis jetzt habe ich nicht das Bedürfnis, das Tape wieder gegen Flach- oder gar Rundriemen zu tauschen. Die Präzision, die bis jetzt hörbar wurde, ist faszinierend – Mr. Spock möge mir das Zitat verzeihen 🙂

Update 2022: Ich konnte nicht umhin, mir Ende des Jahres alternativ eine Antriebseinheit von Dereneville, und zwar den DAE-01-CLe zuzulegen. Dieser Motor legt in allen Belangen noch ein Schäuferl drauf – unglaublich! Momentan bin ich beruflich ziemlich ausgelastet, aber sobald ich Zeit finde, widme ich mich dem neuen Motor ausgiebig und werde berichten.

Fortsetzung folgt …